Wie gelingt Stabübergabe in einer Schule? FES Böblingen

Die Übergabe von einer Generation an die nächste ist eine anspruchsvolle Aufgabe. An meiner Schule, der Freien Evangelischen Schule Böblingen, wurde sie meines Erachtens vorbildlich geleistet… Lest selbst.

 

 

„Neue Besen kehren gut – aber die alten kennen die Ecken!“

Stabübergabe in Etappen: Die Freie Evangelische Schule Böblingen nimmt sich ein Jahr Zeit für den Schulleiterwechsel

 

Stabübergabe nach dem Jüngerschaftsprinzip: An einer christlichen Schule im Süden Deutschlands trainiert der neue Schulleiter ein Jahr an der Seite seines Vorgängers.

 

Im Pausenhof der Freien Evangelischen Schule Böblingen steht eine sechseckige Holzarena. Kaum ertönt der Gong, gilt dort das Recht des Stärkeren. Verbissen wird der Ball im Kreis geschlagen. Wer wird es schaffen, sich als längster im Ring zu halten und nicht abgeschossen zu werden? Rote Gesichter kämpfen hitzig um den ersten Platz.

Schulleiter Paul-Gerhard Schneider schreitet mit einem milden Lächeln daran vorbei – er lebt seinen Schülern eine andere Kultur vor. Der 65jährige strahlt die Zuversicht aus, dass sein Vorbild am Ende prägend sein wird. Seit diesem Schuljahr hat er einen Nachfolger an der Seite – Moritz Widmaier ist in etwa halb so alt wie er. Mit dem „Neuen“ vollzieht der bekennende Christ eine Stabübergabe ohne Ellenbogen – ein ganzes Jahr lang. „So habe ich es mir gewünscht“, betont Paul-Gerhard Schneider, der im Sommer in Ruhestand tritt.

Seit 12 Jahren leitet er die christliche Bekenntnisschule in freier Trägerschaft im Süden Deutschlands, die inzwischen von rund 450 Schülern und Schülerinnen besucht wird und in diesem Jahr ihr 20jähriges Bestehen feiert.

Unter seiner Federführung wuchsen an zwei Standorten Grundschule, Hauptschule und Realschule heran, in der jeder Schulmorgen mit einem Lehrergebet und einer Andacht in den Klassenzimmern beginnt. Rund 45 Lehrer sowie ein deutlich größerer Verwaltungsstab als an staatlichen Schulen sind unter seinen Fittichen, vom beachtlichen Finanzbudget zu schweigen, das er als „Chef“ einer Freien Schule stets im Blick behalten muss.

Für den Traum vom reibungslosen Übergang griff der Vorstand der Bekenntnisschule bereitwillig tiefer in die Taschen und genehmigte für ein Jahr eine zweite Schulleiterstelle.

„Schulleitung lebt von Erfahrung und gute Schule von Kontinuität“, meint Schneider. „Natürlich packt es jeder mit seiner Persönlichkeit anders an – und das ist auch gut so. Dennoch soll mein Nachfolger wissen, wo die Säulen des Schulalltags liegen – und die Fettnäpfchen…“

Praktisch gesehen, hat der „Alte“ dem „Jungen“ von Anfang an die Personalentwicklung in die Hände gelegt. „Schließlich muss ja er mit den Leuten in Zukunft klar kommen.“ Schneider steht lediglich mit Tipps im Büro nebenan zu Verfügung. Gleichzeitig hat er dem Nachfolger „Basis“-Erfahrungen als Klassenlehrer in Klasse 7 verordnet, wo Bewährungsproben garantiert sind. Der Plan ist, dass der Ältere im Laufe des Schuljahres Stück für Stück Unterrichtsstunden vom Lehrpaket des Jüngeren übernimmt, der dafür im Tausch die Aufgaben des Schulleiters übernimmt.

„Für mich ist das ein absolutes Privileg, so in meine neue Aufgabe hineinwachsen zu dürfen“, betont Moritz Widmeier. „Ich darf viel beobachten und Stück für Stück Freiräume füllen und Verantwortung übernehmen.“ Der gelernte Bankkaufmann und Lehrer ist beeindruckt von der „menschlichen Größe“ seines Vorgängers. „Es ist ja nicht leicht, Dinge loszulassen, die man geprägt hat. Umso wertvoller ist diese Unterstützung für mich!“ Paul-Gerhard Schneider winkt bescheiden ab. „Man sagt, neue Besen kehren gut, aber die alten kennen die Ecken.“ Er ermutigt den Jüngeren „alte Zöpfe“ abzuschneiden, in Vergebung zu leben und sich neue Visionen schenken zu lassen. „Christliche Schule ist eine Auftragsschule – eben Schule Gottes! In diesem Sinne wünsche ich mir, dass er sie weiterführt.“ Die Übergabe empfindet er als leicht, „weil uns die geistliche Ebene verbindet.“

Das Fundament des christlichen Glaubens und der Bibel ist die Grundlage, auf der das gesamte Kollegium arbeitet, auch wenn die Lehrer den verschiedensten Kirchen und Freikirchen angehören. „Ich schätze es, dass wir gemeinsam beten und Gott loben können“, meint Schneider, der früher an einer staatlichen Schule tätig war. „An einer christlichen Schule zu arbeiten, ist etwas total anderes – auch wenn die inhaltlichen Aufgaben, wie Stundenpläne machen, gleich sind.“ Lehrerkonferenzen beginnen in der Regel mit Gebet oder einer Lobpreiszeit. Auch die Atmosphäre bei Elterngesprächen sei anders. „Ich bekomme viel ehrlichere Antworten, wenn ich frage, wie es den Eltern eigentlich geht…“

Immer wieder wird auch den Eltern Gebet angeboten – einige treffen sich regelmäßig dazu in der Schule. In den letzten zwölf Jahren beobachtete Schneider einen wachsenden Druck auf Familien und Kinder. „Die Verunsicherung hat zugenommen, der schützende Rahmen um Familien herum ist durchlöchert.“ So bietet die christliche Schule inzwischen wie andere Schulen Ganztagesbetreuung und Mittagessen an – bei seinem Dienstantritt sei das noch undenkbar gewesen, so Schneider.

Nicht verändert hat sich das Anliegen der christlichen Bekenntnisschulen.

„Wir wollen gute Schule sein und Kinder auf der Grundlage des christlichen Menschenbildes durch die Schulzeit begleiten“, fasst Schneider den Auftrag zusammen. „Wir wollen Kindern Gott lieb machen, indem wir ihnen Glaube und biblische Werte vermitteln.“ Vom  Grundgesetz seien christliche Schulen verpflichtet, dass „der gesamte Schulalltag“ vom christlichen Bekenntnis geprägt sei. Schneider selbst hat in unzähligen Begegnungen Schülern seinen Glauben in Wort und Tat bezeugt – und oft erst Jahre später erfahren, dass sie sich für ein Leben als Christen und eine christlichen Gemeinde entschieden haben.

 

Gertraud Schöpflin