Kindersoldaten töten ihren Mann

„Ich habe unter vielen Tränen angebetet!“

Kindersoldaten töteten ihren Mann: Hedwig Rossow kehrte mit Liebe zu den Mördern zurück

 

Die Liebe zu Afrika kann alles kosten – Hedwig Rossow musste miterleben, wie Kindersoldaten ihren Mann im Jeep bei einem Überfall vor ihren Augen erschossen. Damals war die Missionarin gerade einmal 13 Monate mit Collin Lee verheiratet und im vierten Monat schwanger. Doch anstatt von Hass und Bitterkeit aufgezehrt zu werden, vergab sie den jungen Mördern ihres Mannes und kehrte zwei Jahre später mit ihrer kleinen Tochter Shekinah zurück in das krisengeschüttelte Grenzgebiet von Uganda und dem Sudan, um in der Stadt Gulu ein Haus für ehemalige Kindersoldaten zu öffnen.

Noch heute sieht Hedi die Szene vor sich, wenn sie die Augen schließt: Die dünnen, wilden Kinder, die im Jeep alles an sich raffen, das Geschrei, die Flammen, die Schüsse, das Blut. Hedi Rossow hatte ihren schwer verwundeten Mann mit letzter Kraft zur Seite geschleppt. „Ein Mädchen hatte sich meine Handtasche gekrallt. Sie blickte sich um zu mir. Ihren tieftraurigen leeren Blick konnte ich nie mehr vergessen“, so berichtet sie. „In diesem Moment wusste ich, dass ich das Mädchen finden wollte, um ihm zu sagen, dass in Jesus das Leben ist.“ Doch bevor sie die Kraft hatte, zu den Mördern ihres Mannes zurückzukehren, galt es ein schweres Tränental zu durchschreiten.

In den ersten sechs Monaten nach dem Verlust ihres Mannes quälte sie die Einsamkeit. „Die Gitarre auf dem Bauch, das Baby im Bauch – so habe ich unter vielen Tränen angebetet“, erinnert sie sich. Bis zu sieben Stunden verbrachte sie am Stück im Lobpreis. „Das war oft eine Willensentscheidung ohne Gefühle.“

Nach der Geburt ihrer Tochter kehrte sie zu ihrer deutschstämmigen Familie nach Paraquay zurück. „Dort ging ich durch eine Zeit von unglaublicher Wut auf Gott.“ Hedwig Rossow erwartete, dass dies das Ende ihrer Beziehung zu Gott sei und er aussteigen würde. „Doch er tat es nicht und holte mich stattdessen in seiner Liebe aus diesem Loch. Seitdem wünsche ich Menschen diese Überraschung der Erfahrung einer solchen Liebe, die mich aushält und nicht aussteigt.“

Heute ist sie voll Erbarmen für jene Kinder, die von der LRA-Rebellenarmee gefangen genommen, gefoltert und vergewaltigt werden. „Die räumen systematisch ganze Dörfer, morden vor ihren Augen die Eltern… Im Vergleich zu den Kindern erlitt ich nur ein kleines Leid.“ Jahrelang war sie als Krankenschwester mit einer traumatologischen Zusatzausbildung in Ostafrika unterwegs gewesen, um gemeinsam mit ihrem afrikanischen Team geistlichen Leitern und Gemeinden Trauma-Seminare anzubieten. „Die Afrikaner sind außergewöhnliche Menschen mit einem  so tiefen geistlichen Verständnis. Wie die beten können und in den Geistesgaben dienen!“, berichtet Hedwig Rossow. „Doch Berufungen scheitern und Potential ist verschüttet, weil sie durch schreckliche Erlebnisse innerlich so verletzt und zertrümmert sind.“ Viele Christen hätten nie über ihre traumatische Erlebnisse gesprochen – unter Hedwig Rossows Anleitung, später unterstützt durch ihren musikalischen Mann, hätten sie begonnen, ihre Traumata zu verarbeiten, auch durch kreative Ausdrucksmöglichkeiten. Vergebung sei in Afrika ein Begriff, der zunächst mit Schwäche und Opferhaltung belegt sei – ein biblisches Verständnis müsse vermittelt werden. „Erst die tiefe Begegnung mit Gott bringt die Heilung. Sie geschieht dort, wo er persönlich ins Leben hineinspricht.“ Das ist inzwischen auch ihre eigene Lebenserfahrung. „Oft endeten unsere Seminare in Tanz und Lobpreis aus tiefstem Herzen.“

Inzwischen lebt die Afrikamissionarin in Deutschland und bringt ihr evangelistisches Herz in Deutschland in der Flüchtlingsarbeit ein, wo sie in Brandenburg mit ihrer neuen Familie als Mutter von fünf Kinder lebt. Auch dahinter steckt eine überraschende Führung Gottes für sie und ihre Tochter, die sie am Ende ihres vor kurzem erschienen Buchs „Mama Shekinah – Afrikas Kindersoldaten nahmen mir den Mann – ich antwortete ihnen mit Liebe“ erzählt (siehe Rezension).  Gertraud Schöpflin